Ohne Unterstützung hätte ich mich Kaum mehr vor die Haustüre gewagt...

Als ich am 2. März 2019 aufstand, um zur Arbeit zu gehen, liess sich meine linke Gesichtshälfte nicht mehr steuern. Mit meinen jungen 24 Jahren konnte ich diese krankhafte Veränderung nicht nachvollziehen. Als ich nach dem Mittagessen meinem Vater per Videochat zeigte, wie mein Gesicht aussah, sagte er, ich solle sofort ins Universitätsspital. gehen. Daraufhin begleitete mich mein Ehemann in den Notfall. Unsere Vermutungen wurden rasch bestätigt: es handelte sich um eine Fazialisparese! 

In den ersten 4 Tagen konnte ich nichts anderes machen als abzuwarten, bis das Kortison den entzündeten Nerv entlastete. Dabei stellte ich mir viele Fragen. War ich krank? Wieso wurde ich so auf die Probe gestellt?

Meine Mutter bot mir während der ersten Woche ihre Unterstützung an. Ohne sie und die Hündin meiner Eltern, Tara, hätte ich mich vor Scham wahrscheinlich nicht einmal vor die Haustüre gewagt. Mein Auge liess sich nicht schliessen und ständig liefen mir Tränen über die Wange. 

Am vierten Tag nach Lähmungsbeginn landete ich mit meiner Mutter in einem Restaurant und versuchte eine Suppe zu essen: Eine ziemliche Herausforderung für mich und meine gelähmte Gesichtshälfte!

Beginn der Lähmung (© Autorin)
Beginn der Lähmung (© Autorin)

Schritt für Schritt gewann ich wieder an Selbstbewusstsein. In dieser Phase half es mir sehr, mit autogenem Training und Shiatsu abzuschalten und meinen Körper besser wahrzunehmen. Mein Ehemann blieb immer optimistisch. Er schaffte es immer wieder, mir ein total asymmetrisches, aber wohltuendes Lachen aufs Gesicht zu zaubern. Genau sechs Monate vor meiner Fazialisparese hatten wir geheiratet. Diese harte Probe hat uns noch mehr zusammengeschweisst.

Bereits im Verlauf der ersten drei Wochen verbesserte sich das Essen und Trinken. Dann zeigte sich bald schon eine kleine Regung im linken Mundwinkel, beim Versuch zu lächeln.  Nach dem MRI hatte ich endlich Gewissheit: Die Strukturen um den Fazialisnerv waren gesund und mein Blutbild war total normal. Es handelte sich somit um eine Bell-Parese oder idiopathische Fazialisparese. Ich war überglücklich, da diese Lähmung in der Regel eine sehr gute Prognose hat! Innerlich war ich genau in diesem Moment wieder geheilt. 

Gleichzeitig konnte ich mit der Gesichtstherapie anfangen. Ich muss zugeben, anfangs war ich etwas skeptisch, ob Physiotherapie im Gesicht etwas bringt. Doch meine Physiotherapeutin überzeugte mich mit ihrer sympathischen Art und ihren vielen Tipps sofort. Ich hatte danach zum ersten Mal in meinem Leben Muskelkater im Gesicht!

 

89 Tage nach Beginn dieser Herausforderung sehen mir meine Mitmenschen nichts mehr an, ich kann wieder herzhaft und symmetrisch lachen und normal leben. Ich hoffe, mit meiner Geschichte anderen Betroffenen Mut zu machen. Ihr seid nicht alleine!

Ende der Therapie (© Autorin)
Ende der Therapie (© Autorin)