Die Diagnose «Hirntumor» war ein riesiger Schock für mich

Der Chirurg beschönigte nichts. Er meinte, dass bei einer Tumorentfernung der Gesichtsnerv teilweise oder vollständig beschädigt würde. Ich, 42-jährig, würde den Rest des Lebens mit einer lahmen Gesichtshälfte und völlig entstellt durchs Leben gehen. Diese Vorstellung war einfach nur grauenhaft!


Zum Glück wurde dieser Alptraum nicht wahr: Bereits am Tag nach der Operation wurde ich von einer Physiotherapeutin besucht. Sie zeigte mir das korrekte Anlegen des Augenpflasters und instruierte, wie ich Bewegungsübungen mit dem Mund machen konnte. Nach dem Spitalaustritt ging es mit ambulanter Therapie weiter. Das Auge konnte ich nicht ganz schliessen und das Blinzeln funktionierte nicht ausreichend. So musste ich regelmässig mit Augentropfen nachbefeuchten. Das Blinzeln wurde immer besser und bald schon konnte ich auf das störende Abdecken des Auges verzichten. 


Gleich zu Beginn der Therapie wurden Fotos von meinem Gesicht in Ruhe und in Bewegung gemacht. Anfangs fiel es mir schwer, Übungen mit sehr feinen Muskelbewegungen durchzuführen. Doch ich machte von Woche zur Woche Fortschritte, weil sich der Nerv glücklicherweise erholte. Neben den Bewegungsübungen war auch gezieltes Loslassen und Entspannen ein wichtiges Thema. Die Physiotherapeutin wurde für mich zu einer wichtigen Vertrauensperson in dieser nicht ganz einfachen Lebenssituation. Immer hatte sie Antworten auf meine vielen Fragen und motivierte mich, wenn ich das Gefühl hatte, dass der Fortschritt ausblieb. Da halfen die Fotos sehr, um mir immer wieder Veränderungen und Verbesserungen aufzuzeigen. 


Nach mehr als einem Jahr habe ich mich mit den Einschränkungen arrangiert. Äusserlich sieht man nichts mehr. Trotzdem fühle ich mich noch handicapiert: Ich muss noch regelmässig Augentropfen benutzen. Ich kann die Kontaktlinsen nicht so oft tragen, wie ich möchte. Je nach Dicke des Glas- oder Tassenrandes geht das Trinken nicht immer problemlos. Ich kann keine Ballone aufblasen oder Kerzen auspusten. Kälte beeinträchtigt das Sprechen oder andere Mundbewegungen massiv. Alles in Allem bin ich aber zufrieden, wie es ist. Ich kann herumlaufen ohne mich zu genieren. Ich habe mich mit der neuen Situation arrangiert und schaue wieder nach vorne.